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5. Anlass - LISZTOMANIA ST. URBAN Samstag, 3. März 2012, Festsaal Kloster St. Urban

5. Anlass - LISZTOMANIA ST. URBAN Samstag, 3. März 2012, Festsaal Kloster St. Urban

Die Gäste wurden bereits um 16h im Foyer des Klosters, inmitten der am 29. Januar 2012 eröffneten Ausstellung "Hör das Licht! Sieh den Klang", mit einem Welcomeaperitif empfangen und von Heinz Aeschlimann, art-st-urban, begrüsst. Roy Oppenheim leitete mit zusammenfassenden Informationen über Lisztomania St. Urban zum Ehrengast über, Herrn Jean-Frederic Jauslin, Direktor des Bundesamtes für Kultur.

Und dann wurden die Besucher durch metallisch klirrenden Pianotöne neugierig gemacht. Gerhard Kramer, der musikalische Kurator der Ausstellung,  spielte auf einem peziell gebauten Toy Pianio Werke von Gerhard Sträbler, Franz Liszt und  Eigenkompositionen, arrangiert für Toy Piano. Ein überaus surreales Bild,  untermalt von surrealen Tönen, der hochgewachsene Musiker auf dem Mimimimistühlchend sitzend  in dem prächtigen barocken Treppenhaus des Klosters, eine spannende, noch nie gesehene Inszenierung.

Der Bösendorfer und ein Mann mit vier Händen

Fulminantes Finale der Lisztomania St. Urban im Festsaal des Klosters St. Urban, 3. März 2012

Wie sagte doch Jean-Frédéric Jauslin, Direktor des Bundesamtes für Kultur, in seiner einführenden Rede: Um Liszt zu spielen bräuchte man mehr als zwei Hände und mindestens fünfzehn Finger. In der Tat waren am letzten Konzert der Lisztomania St. Urban vier Hände mit zwanzig Fingern am Werk. Sie gehörten «einem» Mann in zwei Körpern, dem Brüderpaar Johannes und Eduard Kutrowatz aus dem Burgenland. Von dort damals ungarisches Kronland in der Donaumonarchie stammte auch Franz Liszt, dessen 200. Geburtstag letztes Jahr gefeiert wurde. Mit der Ausstellung «Vivat Liszt! Hör das Licht! Sieh den Klang!» und dem Klavierkonzert zu vier Händen «Alla Zingarese» setzte das Ehepaar Heinz und Gertrud Aeschlimann vom Kunst und Kulturzentrum art-st-urban das fulminante Finale hinter die in fünf Zyklen aufgeteilte Würdigung des prominenten Klavierviruosen Popstars aus dem 19. Jahrhundert.

Der «Bösendorfer» zog alle Blicke auf sich, als am Samstagabend Gäste aus aller Welt einzogen in den Festsaal des ehemaligen Klosters St. Urban. Noch stand der Flügel starr und schwarz und stumm in seiner imposanten Länge auf dem Podium. Aber sobald ihn Johannes und Eduard Kutrowatz berührten, begann er zu leben und wurde er zum Dominator dieser Partnerschaft. Wie ein Gewitter brach sein Klang über die Gäste herein. Nicht furchterregend, aber kraftvoll ergriff Franz Liszts Ungarische Rhapsodie Nr. 12 das Publikum. Es liess sich entführen in eine Welt der Töne, die einem ganzen Orchester hätten entstammen können. Dabei waren es «nur» zwei Männer, Brüder ? im gleichen Jahr geboren und gewissermassen geopfert diesem Dämon der Klaviermusik. Freiwillig zwar, aber gefesselt von einem Gleichgesinnten. «Alles was sich für vier Hände eignet, geht durch ihre Hände», hatte zuvor der Komponist und Musiker Gerhard Krammer gesagt und sie als lebendigste Botschafter von Franz Liszt und Burgenland bezeichnet.

Wie sie am Flügel zauberten, wie sie imposant und souverän Ton an Ton reihten. Bald in gewaltigen Akkorden, die hundert Körper beben liessen. Bald in tänzerischer Leichtigkeit, die das Ungarische tief in der Luzerner Provinz zum Leben erweckte. Zu zweit marschierten die Pianistenbrüder durch Liszts Komposition. Manchmal im Gleichschritt, dann jagte der eine den anderen oder stürmte davon ? dem Ziel entgegen. Furios beendete Johannes Kutrowatz den musikalischen Husarenritt und nahm dazu sein körpereigenes Perkussionsinstrument zu Hilfe. Der Schlussakkord, den sein rechter Fuss stampfte, löste einen unbeschreiblichen Jubel aus.

Soviel Liszt-Power stand Johannes Brahms mit seinen Ungarischen Tänzen 2, 4, 7, 8, 9, 11 und 15 bis 20 keineswegs nach. Wieder waren Elemente der Volksmusik kunstvoll in Kompositionen verwebt, die in den Zuhörern die ganze Gefühlswelt von wehmütig versonnen bis unbeschwert fröhlich und leidenschaftlich erregt weckten. Wer dem Brüderpaar nahe genug war, entdeckte diese Emotionen auch in ihren Gesichtern. Selbst die feinsten Muskeln widerspiegelten ihr musikalisches Erleben, und beim Fortissimo hob der Druck der Finger den ganzen Oberkörper in die Höhe. Die Hände flogen über die Tasten und wurden weggerissen ? abrupt endete manch ein rasanter Lauf in einer markanten Zäsur. Oft hielten die Brüder Zwiesprache, reihten perlengleich locker Ton an Ton. Dann wieder hüpften sie spielerisch über die Tasten und brachen unvermittelt einen wilden Tanz vom Zaum. Schwelgerisch verharrten sie in schönen Melodien, und manchmal wurden sie so leise, dass man kaum zu atmen wagte und die nicht aufgelöste Melodie innerlich weiter webte.

Wie begonnen so beendet. Franz Liszts Ungarische Rhapsodie Nr. 2 bildete den offiziellen Abschluss der 5. Lisztomania von St. Urban. Sie war das bisher bekannteste Stück dieses Abends und machte dem Publikum deutlich, wie sehr sich Konserven- von Live-Musik unterscheidet. Wie  das unmittelbare Erleben jeden noch so guten Tonträger in den Schatten stellt.

Mit zu fiebern, wenn Töne live entstehen, wenn Crescendo und Ritardando körperlich fühlbar sind, wenn die Gegenwart der Künstler jeden Ton beseelt. Und wenn dann auch die Interpreten erste Sahne sind wie in St. Urban, dann ist das Glücksgefühl vollkommen. Im letzten Teil der zweiten Rhapsodie schien es bisweilen, als würde der Flügel zerspringen und der Saal bersten. Aber kurz vor dem Einsturz wurde die Intensität zurückgenommen. Ohne Schaden zu stiften entlud sich das Tongewitter über St. Urban und ging in sachten Regen über. Noch tropften einige Töne von den Tannen. Schon fingen die Vögel wieder an zu trillern, da kam der Sturm erneut daher ? und brach unvermittelt ab, als die Pianisten aufsprangen und sich in unendlichem Jubel verneigten. Immer wieder. Und bei Standig Ovation. Bis sie das Publikum weiter verwöhnten und beglückten: Mit den Zugaben «Eljen a magyar», Polka schnell, von Johann Strauss, dem fünften Ungarischen Tanz von Johannes Brahms und dem Brahms-Walzer op. 39.

Adelheid Aregger, 4. März 2012

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